
Die wahre Ursache für einen Kreuzbandriss beim Skifahren ist selten ein unglücklicher Zufall, sondern meist das vorhersehbare Versagen einer untrainierten kinetischen Kette.
- Eine muskuläre Dysbalance zwischen vorderem und hinterem Oberschenkel ist der Hauptrisikofaktor.
- Mangelnde Stabilität in den Sprunggelenken erhöht die Belastung auf das Knie exponentiell.
Empfehlung: Konzentrieren Sie Ihr Training nicht auf allgemeine Fitness, sondern auf die gezielte Stärkung der hinteren Oberschenkelmuskulatur und die Verbesserung Ihrer propriozeptiven Fähigkeiten, um die neuromuskuläre Kontrolle zu schärfen.
Jedes Jahr füllen sich die orthopädischen Praxen mit Wintersportlern, deren Saison durch einen stechenden Schmerz im Knie abrupt beendet wurde. Der Riss des vorderen Kreuzbandes (VKB) ist eine der häufigsten und verheerendsten Verletzungen im Skisport. Viele Betroffene sehen es als reines Pech, einen unglücklichen Sturz oder eine schlechte Pistenbedingung. In meiner langjährigen Erfahrung als Sportchirurg kann ich Ihnen jedoch versichern: In den meisten Fällen ist diese Verletzung das letzte, laute Signal eines lange schwelenden Problems.
Die gängigen Ratschläge wie „vorsichtig fahren“ oder „sich aufwärmen“ sind zwar gut gemeint, kratzen aber nur an der Oberfläche. Sie adressieren nicht die eigentliche Schwachstelle: eine schlecht vorbereitete neuromuskuläre Steuerung und gravierende muskuläre Dysbalancen. Das Knie ist nur ein Glied in einer langen Bewegungskette – der sogenannten kinetischen Kette –, die am Fuß beginnt und an der Hüfte endet. Ein Defizit an einer Stelle führt unweigerlich zu einer Überlastung an anderer Stelle. Und das Knie ist oft das schwächste Glied, das unter der Last bricht.
Aber was, wenn die wahre Prävention nicht darin besteht, Stürze zu vermeiden, sondern den Körper so vorzubereiten, dass er den Kräften eines Sturzes standhalten kann? Dieser Artikel durchbricht den Mythos des „Skifahrer-Pechs“. Wir werden die biomechanischen Ursachen analysieren und Ihnen zeigen, wie Sie durch gezieltes Schwachstellen-Training die wirklichen Risikofaktoren ausschalten. Es geht darum, die unsichtbaren Defizite in Ihrer Muskulatur und Koordination zu finden und zu beheben, lange bevor Sie überhaupt einen Skischuh anziehen.
In den folgenden Abschnitten werden wir die kritischen Komponenten Ihrer kinetischen Kette untersuchen. Wir decken auf, welche Muskeln wirklich schützen, wie Sie Ihre Stabilität ohne Geräte verbessern und welche Trainingsmethoden den Unterschied zwischen einer sicheren Abfahrt und einer monatelangen Rehabilitation ausmachen können.
Inhaltsverzeichnis: Ihr Plan zur Verletzungsprävention
- Warum ist der Oberschenkelmuskel der wichtigste Schutz für das Kniegelenk?
- Wie stärke ich meine Sprunggelenke zuhause ohne Geräte?
- Kinesio-Tape oder feste Bandage: Was schützt wirklich vor dem Umknicken?
- Die Gefahr von Ermüdungsbrüchen bei zu schneller Steigerung des Laufpensums
- Wann sollte man bei Schmerzen zum Arzt gehen: Die 3-Tage-Regel
- Warum ist das Verletzungsrisiko beim Handball doppelt so hoch wie beim Volleyball?
- Die Fehler im Medizincheck, die Millionen-Transfers platzen lassen
- Statisch dehnen oder dynamisch federn: Was bereitet den Muskel wirklich vor?
Warum ist der Oberschenkelmuskel der wichtigste Schutz für das Kniegelenk?
Die Antwort auf diese Frage ist komplexer, als die meisten Hobbysportler annehmen. Es geht nicht einfach darum, „starke Oberschenkel“ zu haben. Der entscheidende Faktor ist das Gleichgewicht zwischen der vorderen (Quadrizeps) und der hinteren Oberschenkelmuskulatur (ischiocrurale Muskulatur). Der Quadrizeps ist für die Streckung des Knies zuständig und wird beim Skifahren permanent exzentrisch belastet. Er ist meist gut trainiert. Sein direkter Gegenspieler, die ischiocrurale Muskulatur (Hamstrings), beugt das Knie und schützt das vordere Kreuzband aktiv vor zu starkem Vorschub des Unterschenkels – genau dem Mechanismus, der zum Riss führt.
Das Problem: Bei den meisten Freizeitsportlern ist der Quadrizeps überproportional stark. Diese muskuläre Dysbalance ist eine tickende Zeitbombe. Wenn bei einem abrupten Stopp oder einer unkontrollierten Drehung der Quadrizeps massiv kontrahiert, können die zu schwachen Hamstrings nicht ausreichend gegenhalten. Das Knie wird instabil, der Unterschenkel gleitet nach vorne und das Kreuzband reißt. Sportorthopädische Studien belegen, dass zur Prävention von Kreuzbandverletzungen das optimale Kraftverhältnis der ischiocruralen Muskulatur im Vergleich zum Quadrizeps über 55% liegen sollte.
Ein Wert darunter signalisiert ein signifikant erhöhtes Verletzungsrisiko. Daher ist die alleinige Fokussierung auf Übungen wie Kniebeugen (Squats), die primär den Quadrizeps stärken, nicht nur unzureichend, sondern potenziell gefährlich. Ein präventives Trainingsprogramm muss zwingend Übungen für die hintere Kette beinhalten, um diese kritische Balance wiederherzustellen und dem Knie seinen wichtigsten natürlichen Stabilisator zurückzugeben.
Wie stärke ich meine Sprunggelenke zuhause ohne Geräte?
Die kinetische Kette beginnt bei den Füßen. Instabile Sprunggelenke sind wie ein wackeliges Fundament für ein Haus: Die Instabilität setzt sich unweigerlich nach oben fort und zwingt das Knie, massive Ausgleichsarbeit zu leisten. Beim Skifahren, wo der Fuß im starren Skischuh fixiert ist, wird diese Verbindung noch kritischer. Jede kleine Unebenheit auf der Piste, jede Gewichtsverlagerung wird direkt auf das Knie übertragen, wenn das Sprunggelenk und die dazugehörige Muskulatur nicht in der Lage sind, diese Kräfte durch feine, schnelle Anpassungen zu absorbieren.
Hier kommt die Propriozeption ins Spiel – die Fähigkeit des Körpers, die Position seiner Gelenke im Raum wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Gutes propriozeptives Training schärft diese „sechste Sinneswahrnehmung“ und verbessert die neuromuskuläre Ansteuerung. Das Ziel ist es, die Reaktionszeit der stabilisierenden Muskeln rund um das Sprunggelenk zu verkürzen. Glücklicherweise benötigen Sie dafür keine teuren Geräte. Einfache Übungen auf instabilem Untergrund sind extrem effektiv.

Beginnen Sie mit dem Einbeinstand auf dem Boden. Sobald Sie sicher sind, steigern Sie die Schwierigkeit: Schließen Sie die Augen, drehen Sie den Kopf oder führen Sie leichte Oberkörperrotationen durch. Die nächste Stufe ist der Einbeinstand auf einem zusammengerollten Handtuch oder einem dicken Kissen. Halten Sie die Position für 30-60 Sekunden pro Bein. Diese Übungen zwingen die kleinen Muskeln im Fuß und Unterschenkel, permanent zu arbeiten und zu stabilisieren, was eine direkte Entlastung für das Kniegelenk bedeutet. Dieses Training ist nicht nur Prävention, sondern wie das Beispiel aus der Rehabilitation zeigt, ein zentraler Baustein, um nach Verletzungen die dynamische Stabilität wiederherzustellen.
Kinesio-Tape oder feste Bandage: Was schützt wirklich vor dem Umknicken?
In der Sportwelt herrscht oft der Glaube, dass man sich mit externen Hilfsmitteln vor Verletzungen schützen kann. Tapes und Bandagen werden als eine Art Versicherung gegen das Umknicken oder Verdrehen gesehen. Als Chirurg muss ich hier eine klare Warnung aussprechen: Diese Annahme ist trügerisch und kann zu einem falschen Sicherheitsgefühl führen. Weder ein elastisches Kinesio-Tape noch eine feste Bandage können die enormen Kräfte, die bei einem Sturz auf Skiern wirken, mechanisch abfangen.
Ihre wahre, wenn auch begrenzte, Wirkung liegt im Bereich der Propriozeption. Der leichte Druck und Zug auf der Haut verbessert die Wahrnehmung des Gelenks und kann die Muskelaktivierung unterstützen. Eine feste Bandage bietet zudem einen geringen mechanischen Widerstand. Aber beide sind kein Ersatz für eine gut trainierte, stabilisierende Muskulatur. Der Orthopäde Dr. Martin Gruber fasst es prägnant zusammen:
Der beste Schutz ist ein gut trainierter Muskel.
– Dr. Martin Gruber, Orthopäde Wien – Kreuzbandriss beim Skifahren
Die Entscheidung für oder gegen eine Bandage sollte immer in Absprache mit einem Arzt oder Therapeuten erfolgen und ist meist Teil einer Rehabilitationsstrategie, nicht einer primären Prävention. Der folgende Vergleich zeigt die Unterschiede und Grenzen beider Methoden auf.
| Kriterium | Kinesio-Tape | Feste Bandage |
|---|---|---|
| Mechanischer Schutz | Minimal | Moderat |
| Propriozeption | Verbessert deutlich | Leicht verbessert |
| Bewegungsfreiheit | Vollständig erhalten | Eingeschränkt |
| Druckstellen im Skischuh | Keine | Möglich |
| Empfehlung DSV | Nur in Rehabilitation | Nur in Rehabilitation |
Wie die Daten aus Fachkreisen bestätigen, liegt der größte Nutzen von Tapes in der propriozeptiven Stimulation. Verlassen Sie sich also niemals auf ein Tape als alleinigen Schutz. Es ist ein unterstützendes Werkzeug, aber die eigentliche Arbeit muss Ihre Muskulatur leisten.
Die Gefahr von Ermüdungsbrüchen bei zu schneller Steigerung des Laufpensums
Obwohl dieser Titel sich auf das Laufen bezieht, birgt er eine fundamentale Wahrheit, die direkt auf die Ski-Vorbereitung und die Rückkehr nach einer Verletzung übertragbar ist: Der Körper braucht Zeit zur Anpassung. Eine zu schnelle Steigerung der Belastung, sei es beim Laufpensum oder bei der Intensität des Skitrainings, überfordert die Regenerationsfähigkeit von Knochen, Sehnen und Muskeln. Ein Ermüdungsbruch ist die Folge einer kumulativen Mikro-Traumatisierung, die die Reparaturprozesse übersteigt. Genau dieses Prinzip des „zu viel, zu früh“ ist einer der Hauptgründe für die erschreckend hohe Rate an Wiederverletzungen nach einem Kreuzbandriss.
Viele Athleten kehren nach der Operation mental hochmotiviert, aber physisch unzureichend vorbereitet auf die Piste zurück. Sie unterschätzen die komplexen Anforderungen und die verlorene neuromuskuläre Ansteuerung. Die Konsequenzen sind gravierend. Eine Studie des französischen Skiverbandes an 100 Skirennfahrern ist eine deutliche Warnung: Die Häufigkeit einer Wiederverletzung des vorderen Kreuzbandes im gleichen Knie lag bei 19%. Noch alarmierender ist, dass die Verletzungsrate auf der vormals gesunden Gegenseite sogar 30,5% betrug, da diese kompensatorisch überlastet wurde.

Diese Zahlen belegen eindrücklich die Gefahr eines überstürzten Comebacks. Eine sorgfältige Periodisierung des Trainings ist unerlässlich. Das bedeutet, Belastungs- und Erholungsphasen intelligent zu planen und die Intensität schrittweise zu steigern. Es geht nicht darum, so schnell wie möglich wieder auf Skiern zu stehen, sondern darum, die Belastbarkeit der gesamten kinetischen Kette systematisch wieder aufzubauen, um dem Teufelskreis der Wiederverletzung zu entgehen.
Wann sollte man bei Schmerzen zum Arzt gehen: Die 3-Tage-Regel
Nach einem Sturz oder bei ungewohnten Schmerzen während des Skifahrens stellt sich oft die Frage: Ist das nur ein harmloser blauer Fleck, ein Muskelkater oder der Beginn einer ernsthaften Verletzung? Als Orthopäde rate ich zu einer einfachen, aber effektiven Faustregel: der 3-Tage-Regel. Wenn ein Schmerz nach einer Belastung oder einem leichten Trauma nach drei Tagen der Schonung, Kühlung und Hochlagerung (PECH-Regel) nicht deutlich besser oder sogar schlimmer wird, ist eine ärztliche Abklärung dringend anzuraten.
Diese Regel hilft, banale Überlastungsreaktionen von strukturellen Verletzungen zu unterscheiden. Ein typischer Muskelkater erreicht seinen Höhepunkt nach 24-48 Stunden und verbessert sich danach kontinuierlich. Ein Schmerz durch eine Bandverletzung, einen Knorpelschaden oder gar einen Knochenbruch bleibt jedoch konstant oder nimmt zu. Es gibt zudem bestimmte Alarmsignale, bei denen Sie nicht drei Tage warten sollten, sondern sofort medizinische Hilfe in Anspruch nehmen müssen. Dazu gehören eine massive Gelenkschwellung innerhalb der ersten Stunden, ein Gefühl der Instabilität (das Gefühl, das Knie „knickt weg“), blockierende oder scharf einschießende Schmerzen sowie die Unfähigkeit, das Gelenk voll zu belasten.
Das Ignorieren solcher Symptome in der Hoffnung, „es wird schon wieder“, ist einer der größten Fehler. Eine nicht diagnostizierte und unbehandelte Bandinstabilität kann zu irreparablen Folgeschäden am Gelenkknorpel und den Menisken führen. Im Zweifel gilt also immer: Lieber einmal zu viel zum Arzt als eine schwere Verletzung zu verschleppen. Die frühzeitige Diagnose ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Behandlung und einer schnellen, vollständigen Genesung.
Warum ist das Verletzungsrisiko beim Handball doppelt so hoch wie beim Volleyball?
Um die spezifischen Kräfte zu verstehen, die beim Skifahren auf das Knie wirken, ist ein Vergleich mit anderen Risikosportarten aufschlussreich. Die Frage, warum das Verletzungsrisiko beim Handball höher ist als beim Volleyball, führt uns direkt zum Kern des Problems: abrupte Richtungswechsel und Landungen bei unkontrollierter Beinachse. Beim Handball sind Sprünge mit anschließender Landung auf einem Bein und sofortigem Richtungswechsel an der Tagesordnung. Genau bei dieser Bewegung kommt es häufig zum sogenannten Valgus-Kollaps: Das Knie knickt nach innen, während der Fuß am Boden fixiert ist. Dies ist exakt der Verletzungsmechanismus, der auch beim Skifahren so gefürchtet ist.
Beim Skifahren wird dieser Effekt durch die Hebelwirkung der langen Ski und die starre Fixierung im Schuh noch verstärkt. Ein Verkanten oder ein unerwarteter Schlag auf den Ski kann das Knie in eine valgische Position zwingen, der die Muskulatur nicht standhalten kann. Interessanterweise zeigt sich hier eine deutliche Geschlechterdifferenz. Laut der neuesten Analyse der ASU für die Saison 2022/23 erlitten über 37 Prozent der Skifahrerinnen eine Knieverletzung, bei den Männern waren es nur knapp 18 Prozent. Dies wird unter anderem auf anatomische Unterschiede (z.B. ein breiteres Becken und ein größerer Q-Winkel bei Frauen) und oft eine ausgeprägtere muskuläre Dysbalance zurückgeführt.
Fallbeispiel: Das Präventionsprogramm STOP-X
Wissenschaftliche Erkenntnisse über den Valgus-Kollaps als Hauptrisikofaktor führten zur Entwicklung gezielter Präventionsprogramme. Das in Deutschland entwickelte Programm STOP-X zielt explizit darauf ab, die neuromuskuläre Kontrolle der Beinachse zu verbessern. Durch spezifische Übungen lernen Athleten, Landungen und Richtungswechsel zu stabilisieren und die gefährliche X-Bein-Stellung (Valgus) aktiv zu vermeiden. Solche Programme zeigen, dass das Verletzungsrisiko drastisch reduziert werden kann, wenn die zugrunde liegende biomechanische Schwäche gezielt trainiert wird. Dies beweist, dass ein Kreuzbandriss kein unabwendbares Schicksal ist.
Die Erkenntnisse aus Sportarten wie Handball sind also eine direkte Warnung an alle Skifahrer. Die Beherrschung der Beinachse unter Belastung ist der entscheidende Skill zur Prävention. Es verdeutlicht, dass allgemeine Kraft nicht ausreicht; es bedarf einer spezifischen, funktionellen Vorbereitung auf die typischen Belastungsmuster des Sports.
Die Fehler im Medizincheck, die Millionen-Transfers platzen lassen
Im Profifußball sind medizinische Checks vor einem Transfer entscheidend. Sie sind die letzte Hürde, an der verborgene Schwachstellen, alte Verletzungen oder unzureichende Rehabilitationen aufgedeckt werden – und nicht selten Transfers in Millionenhöhe platzen lassen. Dieselbe Logik gilt für jeden Hobbysportler: Ein eigener, ehrlicher „Medizincheck“ vor der Saison kann den Unterschied zwischen Genuss und Katastrophe ausmachen. Die Fehler, die im Profisport gesucht werden – Instabilitäten, Dysbalancen, Bewegungseinschränkungen – sind dieselben, die auch bei Ihnen zu einer schweren Verletzung führen können.
Die tragische Karriere des deutschen Nationalspielers Holger Badstuber ist ein mahnendes Beispiel aus der Praxis. Nach seinem ersten Kreuzbandriss 2012 folgte eine Kette von Rückschlägen und erneuten Verletzungen, die eine hochtalentierte Laufbahn beim FC Bayern München und in der Nationalmannschaft frühzeitig beendeten. Dies illustriert eindringlich, dass eine Verletzung weit über die initiale Heilung hinauswirkt und ohne eine 100%ige Wiederherstellung der Funktion und Stabilität ein permanentes Risiko bleibt.
Sie müssen kein Mediziner sein, um grundlegende Schwachstellen bei sich selbst zu erkennen. Einfache Selbsttests können Ihnen wertvolle Hinweise auf Defizite in Ihrer kinetischen Kette geben. Sie ersetzen keine ärztliche Untersuchung, schaffen aber ein Bewusstsein für potenzielle Risikobereiche, die Sie gezielt trainieren müssen.
Ihr persönlicher Medizincheck: 3 Selbsttests zur Risikoerkennung
- Single Leg Squat Test: Führen Sie eine einbeinige Kniebeuge vor einem Spiegel durch. Achten Sie darauf, ob Ihr Knie stabil über dem Fuß bleibt oder deutlich nach innen ausweicht (Valgus-Stellung/X-Bein).
- Y-Balance Test (vereinfacht): Stellen Sie sich auf ein Bein. Versuchen Sie, mit dem anderen Bein so weit wie möglich nach vorne, dann schräg nach hinten links und schräg nach hinten rechts zu tippen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Vergleichen Sie die erreichten Weiten zwischen linkem und rechtem Standbein.
- Drop Jump Test: Springen Sie von einer kleinen Erhöhung (ca. 30 cm, z.B. eine Treppenstufe) mit beiden Füßen ab und landen Sie wieder auf beiden Füßen. Beobachten oder filmen Sie, ob Ihre Knie bei der Landung stabil bleiben oder nach innen kollabieren.
Wenn Sie bei diesen Tests deutliche Asymmetrien oder Instabilitäten feststellen, haben Sie einen klaren Auftrag: Arbeiten Sie an diesen Defiziten, bevor Sie sich den unkontrollierbaren Kräften auf der Skipiste aussetzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Ein Kreuzbandriss ist meist kein Pech, sondern das Ergebnis spezifischer, trainierbarer Defizite in der kinetischen Kette.
- Die muskuläre Balance zwischen vorderem und hinterem Oberschenkel ist der wichtigste Faktor für die Kniestabilität.
- Propriozeptives Training zur Verbesserung der Stabilität in den Sprunggelenken entlastet das Knie und ist essenziell für die Prävention.
Statisch dehnen oder dynamisch federn: Was bereitet den Muskel wirklich vor?
Die Frage nach dem richtigen Aufwärmen ist so alt wie der Sport selbst. Lange Zeit galt statisches Dehnen – das Halten einer Dehnposition für 20-30 Sekunden – als Goldstandard. Die moderne Sportwissenschaft hat dieses Dogma jedoch längst widerlegt. Vor einer Belastung wie dem Skifahren kann intensives statisches Dehnen die Muskelspannung (Tonus) herabsetzen und sogar die Schnellkraft reduzieren. Der Muskel wird passiv verlängert, aber nicht auf die bevorstehende dynamische Arbeit vorbereitet.
Die Antwort liegt in der dynamischen Aktivierung. Anstatt passiv zu halten, bereiten federnde, schwingende und kreisende Bewegungen das neuromuskuläre System auf die Belastung vor. Beinpendel, Armkreisen, Rumpfrotationen und leichte, federnde Kniebeugen erhöhen die Körperkerntemperatur, verbessern die Durchblutung und „wecken“ die Propriozeptoren. Der Muskel wird auf Betriebstemperatur gebracht und die Gelenke werden geschmiert, ohne an Spannung und Stabilität zu verlieren.
Ein entscheidender, oft vernachlässigter Aspekt der Vorbereitung ist das exzentrische Training. Dies beschreibt die Phase, in der ein Muskel unter Spannung verlängert wird – genau das, was die Oberschenkelmuskulatur in jedem Schwung auf Skiern leistet. Übungen, die diese Bremsbewegung gezielt trainieren, sind extrem wirksam für die Verletzungsprävention. Eine aktuelle Studie im Journal of Sports Science & Medicine zeigt, dass exzentrische Übungen wie Nordic Hamstring Curls die Kraft der Hamstrings um bis zu 26% steigern und die Muskelfaserlänge signifikant erhöhen. Dies macht den Muskel widerstandsfähiger gegen die typischen Belastungen, die zu Verletzungen führen.
Ein effektives Warm-up vor dem Skitag kombiniert also kurze, dynamische Mobilisationsübungen mit spezifischen Aktivierungsübungen für Gesäß- und Rumpfmuskulatur. Statisches Dehnen hat seinen Platz, aber erst nach der Belastung, zur Förderung der Regeneration und zur Verbesserung der langfristigen Beweglichkeit.
Ein Kreuzbandriss ist eine komplexe Verletzung, deren Prävention einen ebenso durchdachten Ansatz erfordert. Verabschieden Sie sich von der Vorstellung, dass allgemeine Fitness ausreicht. Der Schlüssel liegt darin, Ihren Körper als zusammenhängendes System zu verstehen und gezielt an seinen individuellen Schwachstellen zu arbeiten. Beginnen Sie noch heute damit, diese Prinzipien in Ihr Training zu integrieren, um Ihre Knie effektiv zu schützen und eine lange, gesunde Zukunft auf den Pisten zu sichern.
Häufige Fragen zur Prävention von Skiverletzungen
Was sind Alarmsignale, die sofortige ärztliche Hilfe erfordern?
Eine Gelenkschwellung innerhalb der ersten Stunden nach einem Sturz, ein Gefühl der Instabilität (wie „Wegknicken“), ein blockierender oder stechender Schmerz sowie die Unfähigkeit, das Knie voll zu belasten, sind klare Warnzeichen. In diesen Fällen sollten Sie umgehend einen Arzt oder die Bergrettung aufsuchen und nicht auf Besserung hoffen.
Wie unterscheide ich harmlosen Muskelkater von ernsthaften Verletzungen?
Muskelkater tritt typischerweise mit einer Verzögerung von 24 bis 48 Stunden auf, fühlt sich eher flächig und „dumpf“ an und bessert sich oft bei leichter Bewegung. Ein Verletzungsschmerz ist hingegen meist sofort da, oft scharf und punktuell, wird bei Belastung schlimmer und ist häufig von einer Schwellung begleitet.
Wann deckt die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) in Österreich nicht alle Kosten?
Die EHIC sichert Ihnen in EU-Ländern die medizinische Grundversorgung zu den gleichen Konditionen wie für Einheimische. Jedoch sind spezielle Leistungen wie Helikoptertransporte vom Berg oder die Kosten für die Bergrettung selbst oft nicht vollständig abgedeckt. Diese können extrem teuer werden. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) empfiehlt daher dringend den Abschluss einer zusätzlichen Auslandskrankenversicherung, die solche Rettungskosten explizit einschließt.